Stadtzentren und Dorfkerne in epochalem Wandel.
von Georg Dekas
Wer in Europa heute eine Altstadt („Zentrum“) durchwandert und sie mit ihrer Geschichte vergleicht, dem fallen gleich mehrere Dinge auf.
Ameisenfilm
Würde man eine Altstadt 24 Stunden lang von oben filmen und den Film dann im Schnelldurchlauf abspielen, sähe man Menschenströme in immergleichen Zügen einfallen, herumstreifen und wieder ausfallen, der frühe Morgen so leer wie der späte Abend, alles den Shops und Hot-spots entlang, alles eilig, hastig, ameisenhaft, bis all die Paläste, Kirchen, Bürgerhäuser unbewegt und unbelebt in die Nacht sinken.
„Die automobile und jetzt digital kommunizierende Gesellschaft hat die Stadtkerne auf Optik reduziert.“
Automobile Fliehkraft
Durch das Automobil (und den Bau von U-Bahnen und S-Bahnen) hat sich der Siedlungskreis ab den 1940ern deutlich erweitert und von der „Stadt“ (dem Dorf) entfernt. Seit 20 Jahren ist das Smartphone als gesellschaftliche Zentrifugalkraft dazu gekommen. Die wichtigste Folge dieser Veränderung ist die Abkehr von der gewohnheitsmäßigen, physischen Zusammenkunft auf nahen Plätzen, in Wirtshäusern und Kirchen im engsten Umkreis. Die Folge dieser Entwohnung der Dorf- und Stadtkerne wiederum ist die Verlagerung des geselllschaftlichen Lebens in private Freundeskreise. Die suchen sich über telefonische, automobile und mediale Vernetzung ihre eigenen „Zentren“, wo immer auch. Und bleiben im Stadtbild immer öfter unsichtbar.
Künstliches Leben
Zwar ziehen in die sterbenden Stadtkerne gerne Künstler und Promis ein. Diese vermögen aber nicht das Alltagsleben aufzufüllen oder wiederzugeben. Es fehlen die Rufe auf dem Obstmarkt, die auf der Straße spielenden Kinder, es fehlen die frisch gewaschenen Wäschestücke an Leinen auf den Balkonen oder gar über die Gasse. Somit bleibt am Ende nur die schöne Fassade, millionenfach fotografiert von Touristen aus aller Welt, die für eine Stunde oder zwei einfallen, sich einen Schnellimbiss gönnen und wieder weg sind: das aber ununterbrochen und nur untertags.
Die Fußmeilen-Zombies
Die Umwandlung der Geschäftsmeilen in so genannte „Fußgängerzonen“, Mode ab Mitte der 1970er, sollte eine Wiederbelebung der Altstädte und Stadtzentren bewirken. Wie die gelebte Erfahrung zeigt, sind diese Malls meist das Gegenteil von quirligem Stadtleben. Nachts öde Geisterbahnen, die magisch Randalierer anziehen, in den Stoßzeiten voll mit Shopping-Volk, das achtlos aneinander vorbei hetzt – aber das auch nur in den großen Metropolen – ansonsten vereinzelte Spaziergänger, verirrte Touristen, Lieferwägen und Service-Fahrzeuge, die halt dennoch zu den Geschäften durch müssen.
Phantom Altstadt?
Alle diese Entwicklungen machen die Stadtkerne zu optischen Phantomen. Das tolle Leben in der Altstadt wird zwar von vielen gesucht und zurückgewünscht, entsprechend in politischen „Visionen“ beschworen („arredo urbano“). In der „social media“-Wirklichkeit sucht sich das Leben neue Bahnen. Die Stadt selber droht zu einer virtuellen, fotografischen Wirklichkeit zu werden.
Lana ist keine Insel
Für Lanan als Stadt bedeutet dies, dass das mit viel Herzblut und Aufwand betriebene Bemühen um die eigene Mitte oder ein starkes „Zentrum“ an eine unsichtbare Grenze stößt. Auch die autofreie Shopping-Meile am Gries könnte aufgrund der geschilderten Veränderungen höchstwahrscheinlich bald schon in Bedrängnis kommen.